
Die Sache mit dem Zucker
Der Morgen beginnt eigentlich ganz schön und harmonisch. Die Sonne scheint, das Frühstück läuft läuft weitestgehend entspannt und es gibt Kaffee. Wenn da nicht das Thema Süßigkeiten wäre. Die Große hat auf dieser Reise ziemlich viel Umgang mit Süßem. Ich bin selber sehr ungezügelt, wenn es um Süßigkeiten geht und wahrscheinlich rührt auch daher ein Teil der Genervtheit. Lu geht es aber nicht anders, wenn es darum geht, dass sie das ständige Fragen der Großen nach ihrer Süßigkeitentüte nervt. In Dänemark und Norwegen haben wir in den Supermärkten regelmäßig Süßes von den großen und gut bestückten Selbstbedienungsregalen eingepackt. Das schöne ist, dass wir vieles ausprobieren können, ohne gleich eine ganze Packung von einer Sache nehmen zu müssen. Beim zweiten Mal ist es dann natürlich kein Ausprobieren mehr, aber wenn’s lecker war, ist es immer noch schön, dass wir einige wenige Stücken nehmen können, anstatt einer ganzen Packung. In Summe ist es dann aber doch recht viel, was wir uns so zusammenstellen. Sowohl in ihrer Tüte, als auch in meiner, denn jeder bekommt seine eigene Packung. So ist von vornherein geklärt, wer was für sich ausgesucht hat. Natürlich könnten wir hier auch das Teilen üben, aber das macht sie eigentlich ohnehin sehr gerne.
Sind wir zu unsicher?
Ich finde es toll, dass sie probierfreudig ist. Wenn ihr etwas nicht schmeckt, dann sagt sie das und sie merkt es sich auch. Aber vor allem ist sie neugierig und begeisterungsfähig. Beim „richtigen“ Essen ist das etwas weniger ausgeprägt. Da wird auch mal abgelehnt, weil es nicht lecker aussieht oder einfach, weil sie keine Lust darauf hat, auch wenn sie die einzelnen Zutaten eigentlich mag. Naja und das eigentliche Problem bei den Süßigkeitentüten ist, dass sie jeden Tag mehrmals danach fragt, ob sie etwas daraus haben darf. Wir verfolgen eigentlich das Prinzip, dass Kinder noch sehr intuitiv essen. Bei Zucker funktioniert das leider nicht so ganz. OK, meisten stopft sie sich auch gar nicht voll, sondern isst sehr genügsam, langsam und nur wenig in einer „Session“ und nur gelegentlich ist es etwas mehr. Zu Hause möchte sie manchmal Smarties haben und isst dann zwei oder drei Stück. Aber gerade summiert es sich, weil sie häufig danach fragt und wahrscheinlich isst sie auf dieser zweimonatigen Radreise mehr Süßes, als sie in einem ganzen Jahr sonst essen würde.
Der eigene Umgang mit Zucker
Eine meiner Sorgen ist, dass ein zu starkes Reglementieren das Süße in die Verbotszone und damit in den Bereich des besonders Interessanten schiebt. Ich kann mich nicht mehr ganz erinnern, wie es bei mir zu Hause damals ablief, aber ich weiß, dass mein Vater, der schon immer viel handwerklich gearbeitet hat, auch viel gegessen hat – in meiner Erinnerung auch viel Süßes – und trotzdem schlank war. Das hat dann bei mir nicht so ganz hingehauen. Ich habe mich zumindest als eher korpulent in Erinnerung und ich habe Bilder und Videos von mir im Alter von elf Jahren gesehen, auf denen ich mich auch so wahrnehme. Beides könnte eine durch Prägung verzerrte Wahrnehmung sein und jetzt stehe ich an dem Punkt, wie ich den Umgang an meine Kinder weitergebe. Das gilt sowohl für den Umgang mit ungesundem Essen, als auch mit der eigenen Körperwahrnehmung. Immerhin fokussieren wir uns beim Zucker darauf, dass er nicht gut für die Zähne ist und lassen alles andere weg. Aber wer weiß, wo das hinführt. Bis jetzt hat sie keine Angst vor dem Zahnarzt und betreibt keine übersteigerte Zahnhygiene, aber erinnert uns regelmäßig daran, wenn wir morgens mal wieder vergessen haben, ihr die Zähne zu putzen.
Gut, wo waren wir? Wo auch immer die Ursachen für unseren Umgang mit dem Zucker-Thema liegen, Fakt ist, dass wir damit nicht sonderlich entspannt umgehen können. Heute sagen wir der Großen, dass es die letzte Tüte ist, die wir auf der Reise besorgt haben und das es keine weiteren geben wird. Das fühlt sich ein bisschen, wie Strafe an. Auch nicht unser Credo. Aber irgendwie müssen wir den Zuckerkonsum eindämmen. Oder?
Es muss weitergehen
Wir teilen uns heute so auf, dass ich mit den Kindern auf den Spielplatz auf dem Campingplatz gehe, während Lu das Zelt abbaut. So kommt die Große erstmal auf andere Gedanken und wir können das Thema beiseite legen.

Auf dem Spielplatz gibt es viele kleine Häuschen, die jeweils ein Thema haben. Es gibt, die Schule, den Bäcker, die Pizzeria, die Eisdiele und die Tankstelle. Wir wechseln zwischen allen Stationen, aber natürlich gibt es viel Pizza und Eis. Wenn wir mit unserem Buddelzeug unterwegs sind, werden auch regelmäßig mit Kuchen und Eis von der Großen versorgt, weil wir einen Gugelhupf, Eiskellen und eine Eiswaffel haben. Es ist also nicht zu übersehen, wo die Prägung herkommt. Beim Spielen sehen wir das aber eher unkritisch.
Auf dem Spielplatz hier auf dem Campingplatz in Mandal sind die beiden schön im Spiel und es macht Spaß ihnen zuzusehen. Die meiste Zeit sehe ich aber nicht zu, sondern bin mittendrin, muss mir Pizza aussuchen, mich fragen, wo die Kleine ist, die dann lachend immer wieder hinter einem Fenster auftaucht und zwischendurch „fahren“ wir mit dem Zug, der ganz originalgetreu ein Lenkrad im Führerhaus hat.
Wir müssen wohl verrückt sein
Als Lu das Zelt fertig abgebaut hat, holen wir sie ab. Wir machen nochmal einen Stopp am Spielplatz und treffen dort auf eine Einheimische, die mit ihren Kindern auf dem dem Campingplatz ist und selber regelmäßig mit dem Rad reist und zeltet. Sie ist eine aufgeweckte und lebensfrohe Person und unter anderem sagt sie zu uns „You are crazy and you know it“. Wir unterhalten uns eine Weile mit ihr und ihrer Schwester, die auch mit ihren Kindern dort ist. Sie kommen beide aus Kristiansand, was wir wahrscheinlich morgen erreichen sollten. Es sind noch über 70 km bis dort hin. Wir sind noch nicht sicher, wie wir vorankommen und ob wir vor, in oder hinter Kristiansand rasten werden. Allerdings bekommen wir schonmal eine Empfehlung für einen tollen Campingplatz in Kristiansand. Was wir jetzt noch nicht wissen: Der Campingplatz in Kristiansand hat heute den letzten Tag geöffnet. Aber dazu mehr, wenn es soweit ist.
„Popp“ goes the Hutschnur

Es ist 14:45 und wir machen uns auf den Weg. Die Kinder hatten viel Zeit zum Spielen, wir hatten Zeit nett zu plauschen, aber es ist dennoch spät um noch weit zu kommen. Aber wir kommen gut voran. Nach etwas über einer Stunde Fahrt fragt die Große wieder nach ihrer Süßigkeitentüte und das Thema ist heute schon so emotional aufgeladen. Mir platzt die Hutschnur und wir müssen eine Rast einlegen. Ich weiß nicht wohin mit meinen Emotionen und ziehe mich erstmal zurück. Es ist ein Mix aus Wut, Ohnmacht und Verzweiflung. Aber nicht über das Kind. Klar ist sie der Trigger gerade gewesen, aber in mir herrscht ein absolutes Chaos über den richtigen Umgang mit der Situation, sodass es mich einfach überrollt. Ich versuche mich zu beruhigen, mich zu verstehen und es dauert eine ganze Weile, bis ich wieder entspannter bin.

Auf dem Rückweg zu den anderen fällt mir auf, dass nicht nur mein Fahrradständer unter der Last gelitten hat, sondern auch der Ständer an Lus Fahrrad ächzt mittlerweile, obwohl er immer noch bedeutend besser ist, als meiner. Beim nächsten Fahrrad würde ich auch auf eine Easy Mount Schnittstelle achten, wenn es wieder ein Cube Bike werden sollte. Aber erstmal funktioniert noch alles und 40.000 km hat es wahrscheinlich schon drauf.
Unerwartet weit gekommen

Wir fahren weiter und insgesamt ist es wieder eine schöne Fahrt. Ein paar kleine Örtchen, das Wetter ist gut und wir kommen gut voran. Bei sonnigem Wetter laden die Fjorde zum Verweilen ein, aber für uns geht es heiter weiter. Das Reisen auf dem Rad bietet immerhin den Vorteil zum Autofahren, dass wir permanent in der Natur sind. Wir hören jedes Plätschern am Straßenrand, das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter, wir riechen die Wälder, die Küste, die Restaurants und Imbiss Buden in den Ortschaften, spüren die Wärme der Sonne, die Kühle des Windes und der Schatten und wir haben viel Zeit Eindrücke zu sammeln.
Als wir gegen 18:30 in Søgne auf einem Campingplatz ankommen, haben wir tatsächlich noch über 40 km heute hinter uns gebracht. An der Rezeption sitzt niemand mehr, aber als wir uns gerade orientieren, kommt eine Mutter mit ihren zwei Söhnen in einem Grand California an, der vom gleichen Verleih ist, von dem wir vor der Fahrradreise genau das gleiche Modell gemietet hatten. Wir kommen ins Gespräch. Sie ist mit ihren zwei Kindern alleine auf Reisen und hat sowohl schon einiges an Strecke hinter sich, als auch noch vor sich. Nach einigen Minuten – unsere Kinder sitzen noch im Anhänger und ihre sind unruhig im Auto – verabschieden wir uns vorerst von einander. Wir werden uns ja bestimmt nochmal sehen. Jetzt suchen wir uns erstmal alle einen Platz. Wir cruisen über den gesamten Campingplatz und finden keinen wirklichen Zeltplatz. Am Wasser könnte etwas für Zelte gedacht sein, aber da gibt es keinen Windschutz und deshalb wollen wir unser Zelt nicht dort aufbauen. Ansonsten haben wir noch keine andere Wiese gefunden. Wir fahren an ein paar Leuten vorbei, die gerade am Wegesrand im Gespräch sind. Sie geben uns den Tipp uns einfach auf eine Wiese bei ein paar Campern niederzulassen. Und wen treffen wir dort wieder? Die Camper-Mutter mit ihren zwei Kindern. Wir kommen gleichzeitig dort an. Nach kurzer Abstimmung platzieren wir uns so, dass wir Nachbarn sind. Wir verbringen die meiste Zeit vom Rest des Tages zusammen. Die Kinder malen gemeinsam und es gibt Snacks für die kleinen. Dann bekommen wir noch eine Suppe geschenkt, die sich die Große aussuchen darf. Denn die Mutter mit ihren zwei Kindern, hat in ihrer Camper-Vorratskammer mehr eingepackt, als sie verbrauchen wird, weshalb mit uns teilen möchte. Die Große sucht sich eine Erbsensuppe aus und wir bekommen noch ein Focaccia geschenkt. Letztlich wird die Suppe ein Abendessen für Lu und mich, weil keines der Kinder davon essen möchte, als sie fertig ist. Stattdessen gibt es Würstchen, Mozzarella und Obst für die beiden. Auch OK. Wir verabschieden uns bald voneinander und jeder zieht sich in die eigenen vier Wände zurück.
Wir schließen im Toiletten- und Duschhaus über Nacht eine unserer Powerbanks an, einfach, weil wir es können. So müssen wir weniger Anstalten mit dem Solarpanel machen. Außerdem laden wir unsere Fitbit Uhren, weil die sich nicht über die Powerbank oder das Solarpanel laden lassen.
Es war zwar ein anstrengender Tag, aber es war auch ein schöner Tag. Auch wenn Teile belastend waren, die schöne Begegnung und Gesellschaft am Abend, haben die sozialen Akkus wieder auffüllt und runden den Tag schön ab.
Heutige Fahrbilanz: 43 km, 3 h
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