Entspannter morgen
Der Tag ist sonnig. Bodos Griff zum Solar Panel ist einstudiert. Als er es im Zelt ausklappt, stellt er fest, dass sein Handy sogar hier drinnen mit 0,4 Ampere lädt. Nicht übel, wenn man mal gar keine Lust hat, das Zelt zu verlassen. Bodo scherzt: „Vielleicht können wir dann sogar nachts laden!“
Während ich einige Instagram Stories hochlade, beginnt Bodo zu packen. Das klappt gut, denn die Kinder malen und spielen gerade viel selbstständig, allein oder miteinander. Aber, mit der Entscheidung, mich unserem Kanal zu widmen, ist auch klar, dass wir heute erst später als gewöhnlich weiterfahren werden.

Wind und Tränen beim Zeltabbau
Während Bodo seine Taschen packt und die mittlerweile sehr müde Kleine betreut, baue ich das Zelt ab. Obwohl es heute sehr windig ist, riskiere ich es, das Zelt für ein paar Minuten mit nur einem Hering gesichert, stehen zu lassen. Plötzlich reißt eine Windböe das Zelt um und zerrt daran. Der Riss und die verbogenen Zeltstangen, die das Zelt bei dem Vorfall in Hjarbæk davongetragen hat, reichen aus. Mehr muss jetzt wirklich nicht kaputtgehen. Die Große erschreckt sich und weint. Ich bin überfordert und wütend auf mich, mache mir Vorwürfe. Da kommt noch ein Kommentar von Bodo und der trifft mich natürlich. Zu früh für Kritik. Ich feuere verbal zurück und auch mit den Gefühlen der Großen finde ich gerade keinen guten Umgang und motze sie an. Alles ist zu viel.
Routinen und Struktur
In solchen Momenten bereuen wir unsere vorherige Entscheidung, uns so treiben gelassen zu haben und wollen nur schnell weg. Damit Ruhe einkehrt. Die Routinen helfen uns und den Kindern Struktur in den sehr abwechslungsreichen Fahrrad-Alltag zu bekommen. Den Müdigkeitszeichen nicht rechtzeitig nachgegangen zu sein, ist für alle sehr anstrengend. Die Kleine leidet. Das Quengeln und Jammern findet die Große blöd und reagiert darauf mit Quengeln und Jammern. Wir begleiten das und kommen nun beide nicht mehr dazu unsere Sachen zu packen, um das tun zu können, was allen helfen würde: Aufbrechen und der Kleinen damit die Möglichkeit geben zu schlafen.
Nackte Füße bei eisigem Wind
Wir schaffen es schließlich vom Campingplatz in Spangereid runter und machen noch ein Selfie, da ist die Kleine schon fast eingeschlafen. Wir haben inzwischen Mitte September. Die Sonne strahlt, aber der Wind ist knackig kalt. Das spüren wir vor allem, wenn wir die gerade mühsam erklommenen Höhenmeter mit hohem Tempo wieder runterfahren. Der Fahrtwind ist dann gerade im Schatten der Bäume eisig. Dennoch bevorzuge ich es kurzärmelig und Bodo in offenen Schuhen zu fahren

Die Küstenorte auf diesem Abschnitt sind malerisch. Ein Ort ist schöner als der andere. Das Meer zeigt sich in den schönsten Farbnunancen: mal im strahlenden Türkis, schimmerndem Grün, tiefem Blau oder ganz klar, fast transparent. Und so fahren wir staunend auf und ab. Die Anstiege sind inzwischen nicht mehr ganz so hart oder wir sind mehr im Training.
Zu steil, zu viel Schotter
Kurz vor Mandal warnen Nutzerkommentare bei Komoot vor einem unfahrbaren Abschnitt, der mit Gepäck zu steil ist. Als wir vor der Wegkreuzung stehen, sind wir uns nicht sicher, welches die Umfahrung und welches der ursprüngliche Etappenabschnitt ist. Denn beide starten sehr steil. Wir entscheiden uns für den etwas weniger steil erscheinenden Weg mit dem besseren Bodenbelag. Wir haben Glück und uns offensichtlich für die leichtere Variante entschieden. Bis auf den ersten harten Anstieg fährt es sich ganz angenehm und die Steigungen gehören ja inzwischen irgendwie schon dazu. Dass uns ab und zu Locals auf ihren E-Bikes auf diesem abgelegenen Waldstück überholen, gibt uns Bestätigung, dass wir uns für den richtigen Weg entschieden haben.

Belohnungsprinzip Pizza
Wir fahren nach einer rasanten Abfahrt durch das schöne Mandaler Umland, dann dem Skogsfjord folgend, schließlich über einen am Hang liegenden Golfplatz mit heftig steilem Anstieg in die Stadt. Als erstes peilen wir einen Spielplatz in der Nähe des Hafens an. Hier wird erstmal gewickelt und Kleidung in der Sonne getrocknet. Es pfeift ein eisiger Wind und wir packen die Kinder so warm es geht ein. Nun wird alles auf dem Spielplatz ausgiebig getestet und wir widmen uns der Suche nach einem geeigneten Ort für die Nahrungsaufnahme. Wir sind hungrig und wollen gern in ein Restaurant oder Lokal. Die Wahl fällt schließlich auf eine Pizzakette (Pizzabakeren). Leider stellen wir erst bei Ankunft fest, dass es sich eher um einen Lieferdienst handelt und es drinnen nur zwei Barhocker als Sitzplätze gibt für Kunden, die auf ihre Bestellung warten. Wir bestellen trotzdem und setzen uns draußen im Kalten an einen Tisch.

Keine Überlebenschance für Himbeeren
Während die Pizza zubereitet wird, besorge ich beim Rema 1000 nebenan Himbeeren und frisches Brot, Frühlingszwiebeln und Tomaten für unser Frühstück. Die Himbeeren werden an Ort und Stelle von den Mädels vertilgt. Die Pizzen sind gut, vor allem die mit salzigem Speck kommt gut bei den Kindern an. Der Pizza Belag unterscheidet sich stark von dem, was wir aus Deutschland gewohnt sind. Es gibt viel Fleisch, oft Hackfleisch, keinen Schinken, eher Bacon oder Kebab. Wir versuchen immer, etwas zu finden, wo es Überschneidungen beim Geschmack der Kinder mit unserem eigenen gibt. Das ist hier in Norwegen eine ganz andere Herausforderung.
Keine Toilette für uns
Es ist kalt und wir freuen uns, wieder in Bewegung zu kommen. Der Weg zum Campingplatz, den wir heute anpeilen, führt uns zurück durch den Ort und durch ein kleines Waldstück an die Küste. Wir checken auch hier wieder nicht offiziell ein und haben somit keine Möglichkeit, die sanitären Einrichtungen zu nutzen. Da die Preise hier in Norwegen aber unser Budget übersteigen, jeden Tag die Campingplatzmiete zu zahlen, nur um auf die Toilette gehen zu können, vermeiden wir das, wenn es möglich ist.
Wir finden heraus, wo die Zeltplätze sind und stellen fest, dass auf diesem Campingplatz noch einige Urlauber sind. Sogar ein Paar mit Zelt und Auto ist hier. Während wir unser Zelt aufbauen und uns einrichten, backen und kochen die Kinder Gerichte aus Wiese und anderen Pflanzenteilen. Anschließend machen wir die beiden Bettfertig und legen sie hin. Auf uns wartet mal wieder Schreibarbeit am Blog und unserem Insta-Account und ein paar Nachos mit Dip.

Heutige Fahrbilanz: 36 km, 2:40 h im Sattel
Bilder des Tages



















