Wir haben es geschafft. Wir haben den Regen überstanden. Der Tag beginnt sonnig und das schlägt im positiven Sinne aufs Gemüt. Unser Zelt ist in schlechtem Zustand, aber davon lassen wir uns gerade nicht unterkriegen. Wir beginnen den Tag wie gewohnt, nur dass es heute früh etwas wärmer im Zelt ist, als die Sonne allmählich darauf scheint. Wir frühstücken im Zelt und am Ende gibt es noch ein Potpourri aus Resten der Kinder für die Eltern: Angegrabbeltes, Angebissenes und Abgeschlabbertes. Es soll ja möglichst wenig Essen umkommen.

Zeit, mal einen Blick aus dem Zelt zu werfen. Die Wiese ist einigermaßen getrocknet, der Himmel strahlend blau und es verspricht, ein schöner Fahrtag zu werden. Unsere Bremshebel sind rot-braun gerostet und zeigen das Ergebnis von drei Tagen nasser Witterung. Aber die werden schnell wieder abgegrabbelt und abgegriffen sein.

Mit Gemach
Vor dem Einpacken trocknen wir erstmal alles, so gut es geht. Dabei vergeht schon mal einiges an Zeit. Als wir alles eingepackt haben, ist es schon früher Nachmittag und wir wollen noch einkaufen gehen. Es gibt jetzt die Option für ein Mittagessen, ein paar Dinge einzukaufen und das Essen irgendwo am Wegesrand abzuhalten, oder wir gehen in das Restaurant, das wir beim Einkaufen gesehen haben, als wir hier vor drei Tagen ankamen, und sparen uns das ganze Aus- und Einpacken. Bei dem Restaurant steht im Prinzip alles auf der Karte, was man sich vorstellen kann. In der Regel spricht das nicht für ein Restaurant. Nach dem Motto: Wer alles macht, macht nichts richtig gut. Wir hatten eine bunte Zusammenstellung aus dem chinesischen Teil der Karte und es war wirklich solide. Leider war eine der Speisen schärfer als erwartet, bzw. eigentlich sollte sie überhaupt nicht scharf sein. So hat die Große davon nichts gegessen und hatte eine kleinere Auswahl. Alles in allem waren wir aber zufrieden, haben uns einigermaßen gut überfressen und noch keinen Meter in die richtige Richtung heute gemacht. Läuft bei uns.
Hoch hinaus
Es ist 16:30 Uhr und wir satteln auf zur Weiterfahrt. Uns erwartet, wie nicht anders zu erwarten, eine Bergfahrt. Kaum verlassen wir den Ort, geht es auch schon bergauf. Und das eine ganze Weile. 45 Minuten lang kämpfen wir uns mit unseren vollen Bäuchen von Meereshöhe auf 230 m hoch. 230 m klingen wenig. Aber wir sind schwer bepackt. Das eine Fahrrad wiegt geschätzte 50 kg und das Gespann mit Anhänger wiegt wahrscheinlich 100 kg. Und als sei das nicht schon anstrengend genug, gab es davor noch eine Überdosis Mittagessen.
Manche Abschnitte sind wieder so steil, dass ich das Gespann gerade so, im Stehen fahrend, die Straße hochbekomme. Anhalten und Schieben ist keine Option, weil wir auf einer befahrenen Straße sind. Gleichzeitig ist es von Vorteil, dass wir auf einer befestigten Straße fahren, weil wir diese Steigungen nur mit Asphalt unter den Reifen schaffen.
In einem kurzen Video, das ich am Ende des Anstiegs aufgenommen habe, hechle ich einigermaßen unverständlich, dass ich direkt vor diesem Video schon einmal ein Video gemacht habe, allerdings vergessen habe, auf „Record“ zu drücken, und dass mir gerade der Sauerstoff im Hirn fehlt, um überhaupt klar denken zu können. Es geht einigermaßen flach weiter und wir machen eine aktive Pause, indem wir jetzt entspannt weiterfahren und etwas verschnaufen können. Dann geht es wieder bergab und ich denke jedes Mal, dass es schade ist, wenn wir die Höhenmeter, die wir so schwer verdient haben, in so kurzer Zeit wieder „ausgeben“. Aber Spaß machen die Abfahrten schon. Vor allem, wenn sich eine schöne Sicht bietet. Heute haben wir aber eher lange Abfahrten. Da können wir die Sicht mehr genießen und das entspannt alles etwas.
Nachtlager mit leuchtender Überraschung
Gegen 18:30 landen wir auf einem Campingplatz in Spangereid. Es ist auf den ersten Blick menschenleer. Nach und nach entdecken wir ein paar Dauercamper. Einer ist eigentlich kaum zu übersehen mit seinem Concorde Charisma Camper. Das ist so ein kleines Teil mit fast 10 m Länge, 2,5 m Breite und 3,5 m Höhe. Kann man leicht mal für ein Haus halten. Zu Hause haben wir eine Deckenhöhe von 2,5 m und als Kind habe ich im Altbau mit 3,3 m Deckenhöhe gewohnt. Naja, und jetzt sind wir mit einem Zelt unterwegs, in dem wir immerhin 1,85 m innen haben, wodurch wir alle darin stehen können. Ich hielt das früher für überbewertet, aber mittlerweile möchte ich die Stehhöhe nicht mehr missen.

Wir nutzen die letzten Sonnenstrahlen noch für etwas Strom, und weil wir etwas exponiert stehen und es nicht ändern können, spanne ich heute gleich wieder die Extra-Leinen ab. Nach den letzten Tagen lässt mich das etwas ruhiger schlafen. Aber bevor ich ruhig schlafen kann, ergibt sich zuerst noch etwas ganz anderes. Aus der Heimat bekommen wir eine Nachricht, dass in unseren Breitengraden Nordlichter zu sehen sein sollen. Ich muss also schnell nochmal raus aus dem Zelt. Jacke an, rein in die Birkenstocks und raus in die Kälte. Der Campingplatz ist kaum beleuchtet, aber er liegt an einer Straße, deren Laternen leider etwas stören, weil ich die Lichter genau in Richtung der Straße erahnen kann. Also, entweder versuche ich hier weiter, irgendwie unser Zelt mit Aurora Borealis zu fotografieren – wo die Aurora auch für das Leuchten der Straßenlaternen gehalten werden kann – oder ich gehe jetzt all the way und mache eine kleine Expedition. In Sandalen versteht sich. Gedacht, getan. Es ist etwa 0 Uhr, der Himmel ist sternenklar, die Luft kalt und feucht und ich mache mich auf den Weg auf die gegenüberliegende Seite der Laternen. Auf der anderen Straßenseite ist ein Feld mit einer großen Wiese, die im Dunkeln einfach nur schwarz ist. Genau so brauche ich das. Gleich zu Anfang trete ich mir irgendwas ein, was kalt, weich und feucht ist, und ich denke, das ist entweder ein Grashalm oder … eine Nacktschnecke. Spoiler: Es war eine winzige Nacktschnecke, die ich dann etwa 15 Minuten lang unter meinem großen Zeh getragen habe. In der Zeit sind aber tolle Bilder entstanden, und da wir keine Kamera mehr dabeihaben, weil wir sie in Aalborg nach Hause geschickt haben, muss das iPhone herhalten. Ich bin tatsächlich sehr erstaunt, was heutzutage mit den Handys schon machbar ist. Alle Bilder auf der Reise sind mit unseren iPhones geschossen worden und ich habe regelmäßig Bilder von der Milchstraße und dem großen Wagen gemacht. Tja, und heute habe ich sogar ein paar Nordlichter einfangen können.

Auf dem Weg zurück zum Zelt mache ich einen Stopp am WC und reinige mir kurz den großen Zeh. Das ist natürlich ein kleiner Nachteil beim Reisen in Sandalen, aber ich habe mir vorgenommen, bis zum Ende der Reise keine festen Schuhe anzuziehen. Bis jetzt hatte ich weder die Schuhe noch Socken an. Während der Fahrten am späten Nachmittag wird es jetzt schon merklich kühler, aber alles noch im Rahmen.
Als ich wieder im Zelt ankomme, schlafen die übrigen Flusenköpfe schon tief und fest. Zeit für mich, mich auch in den Schlafsack zu friemeln und erstmal die Füße aufzuwärmen.
Heutige Fahrbilanz: 21 km, 2 h im Sattel
Bilder des Tages













