Norway by Bike – Tag 36: Kvinesdal – Elle (1247 km)

Der Morgen ist sonnig und heute erwartet uns gleich zu Beginn des Tages der Anstieg, den wir gestern Abend zum Glück aufgeschoben haben. Es sind vom Schlafplatz aus nur wenige 100 m die es zum Teil auch noch mal bergauf geht, nur damit es noch mal Back-up auf etwa zehn Höhenmeter runtergeht, damit wir den Berg wirklich fast bei Null beginnen.

Von wegen „eine Stunde“

Der Anstieg am Anfang des Tages nimmt kein Ende

Die Strecke zieht sich und zwischendurch ist es wieder sehr steil und wir sind sehr dankbar für unsere gestrige Entscheidung erst heute hier hoch zu fahren. Immerhin sind wir heute frisch gestärkt durch das Frühstück. Gestern Abend wären wir vom Tag entkräftet gewesen. Der Rasenmähermann hatte etwas von 1 Stunde gesagt. Dann sollte das Land flacher werden und da würde man schon etwas zum Schlafen finden, sagte er. Vielleicht definieren die Norweger flach anders als wir und vielleicht hatte der Mann keine Vorstellung davon, wie ein Zelt stehen muss, aber gute Anhaltspunkte sind: der Boden sollte nicht so schräg sein, dass sich in der Nacht alle in einer Ecke wiederfinden und es steht idealerweise kein Wasser auf der Wiese. Alles, was wir finden, ist felsige, hügelige, feuchte Landschaft und auch nach über einer Stunde will der Anstieg nicht enden. Schön ist es trotzdem und wir haben zum Glück genug Schatten, so dass das kraxeln nicht so anstrengend ist.

Kein Pausenplatz in Sicht

Als es Zeit für eine Pause ist, sind wir etwas planlos, wo wir einen Platz dafür finden. Wir fahren die ganze Zeit auf einer Landstraße, und es gibt weder offizielle Rastplätze noch irgendetwas, was zum rasten einlädt. An einer Nothaltebucht orientieren wir uns kurz. Die Kinder sind unruhig und wir müssen schleunigst etwas finden. Ein paar 100 m weiter ist ein Örtchen namens Ulland. da wohnen sechs Leute oder so. Auf der Karte kann man einen See sehen und etwas, was wie eine Wiese aussieht. Wir steuern es an.

Als wir in den Ort abbiegen wollen, sitzt eine Frau auf ihrem Rollator und schaut sich das Treiben auf der Landstraße an. Wir kommen mit ihr ins Gespräch und abgesehen von der altersgerechten Krankheitsgeschichte, die sie uns erzählt, erfahren wir auch, viel interessantes über ihr Leben und warum sie so gut Deutsch sprechen kann. Sie sagt, sie und ihr Mann haben früher ab und zu Urlaub in Bonn und Hannover gemacht. Ich finde das sehr bemerkenswert, wenn jemand allein durch den Urlaub so viel Sprachkenntnisse erwirbt. Wenn ich uns so sehe, wie wenig Norwegisch und Dänisch wir aufgeschnappt haben, ist das fast ein bisschen schade.

Blindschleiche, die Erste

Wir wollen weiter zur Wiese, um Pause zu machen und damit die Kinder endlich aus dem Anhänger aussteigen können. Sie gibt uns noch ein paar Tipps, die uns wenig nützen, weil sie wahrscheinlich das Gewicht unserer Räder nicht bedenkt. Im Endeffekt machen wir wenige Meter weiter an der kleinen Schotterstraße Rast. Dabei rollt Lu aus Versehen über eine Blindschleiche, die prompt ihren Schwanz abwirft. Lu wird ganz anders dabei und der Schwanz zuckt eine ganze Weile wild hin und her. Für die Große wirft das ganze viele Fragen auf und sie fragt allerlei W-Fragen. Wo ist die Blindschleiche hin? Warum hat sie den Schwanz abgeworfen? Warum zuckt der Schwanz so? Viele andere Fragen und manche doppelt. Es war sehr aufregend für uns alle.
Hier und da tritt Wasser aus dem Boden aus und wir suchen uns eine trockene Stelle, wo wir unsere Plane hinlegen können. Vorher checken wir aber nochmal, dass keine Blindschleiche im Weg liegt.

Große Pause mit Feinkost

Mittagspause am Straßenrand

Zum Mittag gibt es heute Veggie Patties, Kartoffelbrei und Sauerkraut. Die Patties sind eingeschweißt, lange haltbar und schon erprobt, was langen Transport angeht. Ich erwärme sie im Wasser, das ich für den Kartoffelbrei erhitze. Dabei geben sie etwas Fett und Geschmack ans Wasser ab. Ich nehme die Patties aus dem Wasser und schütte den Instant-Kartoffelbrei ins heiße Wasser. Den Beutel Sauerkraut fahren wir schon seit Deutschland mit uns herum. Er ist mit der Zeit immer weiter nach unten in der Essenstasche gerutscht, wodurch wir ihn nicht mehr auf dem Schirm hatten. Spätestens jetzt dürfte jedem klar sein, dass wir nicht minimalistisch packen.
Die Kinder essen etwas vom Kartoffelbrei, wenig von den Patties und nichts vom Sauerkraut. Dafür schmeckt es uns umso besser. Wir haben noch ein Pizza Boller, von dem die Kinder etwas essen. Am Ende sind aber alle satt, also Mission erfüllt.

Die Große möchte gerne mit Kreide malen, aber hier ist leider nur eine Schotterstraße und die Wiese. Am Rande der Straße liegen ein paar Steine, die gerade groß genug sind, um etwas darauf zu malen. Die Kleine mischt auch mit und da sie noch nicht läuft ist ihre Hose bald dreckig, nass und voller Kreide. Aber daran haben wir uns so langsam gewöhnt. An Tag 1 wären wir hier zimperlicher gewesen.

Wir haben noch eine Tafel Schokolade mit Tiermotiven dabei haben und die Große erinnert uns daran. Jetzt ist tatsächlich ein guter Zeitpunkt, wie ich finde. Also gibt es jetzt noch einen Schoko-Snack, bevor es weiter geht.
Nach etwa 3 h Pause geht es für gute 1,5 h weiter auf der Route. Die Strecke ist wirklich schön, es geht viel bergab und zwischendurch haben wir eine tolle Sicht auf den Framvaren, einen großen See, den wir während der Abfahrt für einen Fjord halten.

Blick auf den Framvaren

Blindschleiche, die Zweite

Kurz vor dem Ort Elle sieht es aus, als wenn wir einen Schlafplatz finden könnten. Es ist etwas flacher und hier sind ein paar Grundstücke. Wir klingeln an einem Haus. Uns macht eine ältere Frau auf, die uns sagt, dass ihr das Land nicht gehört, sondern einem Bauern, aber dass wir ein paar Meter zurück in einer Schneise zelten könnten. Dort wurde gerade der Acker gemäht.
Wir fahren das kurze Stück zurück und versuchen einen einigermaßen geraden Platz zu finden. In dem Stroh, dass noch auf dem Acker liegt finden wir eine zerteilte Blindschleiche. Damit haben wir jetzt aber nichts zu tun. Das war der Bauer. Die Große ist wieder interessiert und stellt allerhand Fragen.

Wir bauen gemeinsam mit der Großen das Zelt auf, während die Kleine am und im Anhänger spielt. Da das Essen nicht allzu lange her ist, gibt es nur noch einen kleinen Snack zum Abendessen.
Wir bringen die Kinder ins Bett und widmen uns unserem Abend. Zwischendurch, muss ich mal raus und sehe dabei wieder einen wundervollen Sternenhimmel. Nebenbei hören wir, je nachdem, wie der Wind steht, ein wiederkehrendes Windgeräusch, das ich erst nicht einordnen kann. Irgendwann wird mir klar, dass es ein Windrad ist, das irgendwo nicht allzu weit entfernt stehen muss.

Wieder eine sternenklare Nacht

Heutige Fahrbilanz: 30 km, 3 h im Sattel


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