Norway by Bike – Tag 30: Hellvik – Egersund (1118 km)

Die Nacht war sehr luftfeucht und der Boden ist hier sehr nass, weshalb wir unsere Sachen heute erstmal trocknen müssen. Unser Zelt steht erst spät in der Sonne und ist bis dahin im Schatten des alten restaurierten Bahnhofsgebäudes. Ich positioniere deshalb die Kleidung und alles, was trocknen soll und die Solar Panel mit den Fahrrädern auf der anderen Seite des Hauses. Leider bedeutet das auch lange Laufwege. Noch dazu möchte die Kleine raus aus dem Zelt, aber der Boden ist zu nass und die Große ist gestresst, was in Summe dazu führt, dass dicke Luft herrscht.  Für solche Situationen haben wir unsere Kopfhörer dabei und heute ziehe ich mich mit ihnen aus der Situation heraus und versuche herunterzukommen. Oftmals löst sich die schlechte Stimmung außerdem auf, wenn fremde Personen ins Spiel kommen. So auch heute. Ein Paar, an unseren Rädern vorbeiläuft, schaut interessiert und wir kommen ins Gespräch. Der Mann erzählt, dass sein Vater früher hier mit der Schmalspurbahn gefahren ist und dass er viel Zeit in diesem Bahnhofsgebäude verbracht hat. 

Ich frage ihn nach einem Satz auf Norwegisch. Gestern hatte ich mir nämlich einen Satz mit Google Translate zurechtgelegt, mit dem ich fragen wollte, ob wir bei jemandem zelten dürfen. „Kan vi campe med dei?“ war der Satz und wie ich von dem Paar erfahre, bedeutet das eher „kann ich mit dir campen?“ Das wollte ich natürlich nicht fragen und das erklärt auch das Unverständnis der Frau, die ich das gestern gefragt habe und die uns auf diese Wiese hier aufmerksam gemacht hat. „Kan vi sette opp vårt telt her?“ (oder so ähnlich) solle ich fragen. Wir stellen allerdings immer wieder fest, dass in Dänemark, Norwegen und Schweden die Mehrheit der Menschen englisch sprechen, egal welche Generation.

Während wir uns unterhalten, malt die Große neben uns auf einem Treppenabsatz und die Kleine trägt Stifte die Treppe hoch und runter.

„Rad-Wandern“ in Norwegen

Die Strecke ist heute landschaftlich wieder sehr schön mit ihren Bergen und Flüssen entlang der alten und neuen Bahnstrecke. Allerdings wieder viel auf Schotterwegen. Schotter und Berge bedeuten, dass wir viel schieben müssen. Wir Radwandern genannt. Radwandern heißt eigentlich, dass man die Landschaft um sich herum bewusst genießt, aber in unserem Fall heißt es, dass wir neben dem Fahrrad laufen, weil wir die Strecke nicht fahren können.

Ein Gang zurückschalten

Die Kleine schläft und nach etwas über einer Stunde Fahrt kommen wir in Egersund an. Egersund ist etwas größer und eigentlich wäre es schön, hier eine Pause zu machen. Aber, wie gesagt, die Kleine schläft noch und wir fahren normalerweise, bis sie aufwacht und versuchen dann etwas zu finden. Heute werfe ich aber ein, dass wir es ja auch mal drauf ankommen lassen können und hier in Egersund Pause machen können und wenn sie aufwacht, kann sie ja später nochmal ein Schläfchen machen. Es wäre schade, wenn wir plötzlich wieder im Nirgendwo sind, wenn die Kinder aus dem Anhänger wollen. Wir sind eigentlich schon fast raus aus der Stadt, als wir den Entschluss fassen hier Pause zu machen und jetzt sind wir plötzlich auf dem Weg zu einem Supermarkt, damit wir uns für die Pause eindecken und ein paar Vorräte auffüllen können.

Wir haben keine Spielplätze im Netz finden können und als wir Einwohner ansprechen, werden uns auch nur ein Kindergarten und eine Schule empfohlen, deren Spielplätze nach 16 Uhr benutzt werden können. Es geht gerade mal auf 14:30 Uhr zu. Wir überlegen uns zum Hafen zu fahren, weil es dort im Vorbeifahren sehr nett aussah. 

Wie sich herausstellt, gibt es dort zwei in den Boden eingelassene Trampoline, eine Schaukel und jede Menge Platz zum Rennen. Es muss nicht immer viel sein. Den Kindern macht es Spaß, sie bekommen Bewegung und Spielzeit und wir haben eine schöne gemeinsame Familienzeit. Es kommt sogar zum ersten Mal dazu, dass die Große die Kleine an die Hand nimmt und ihr beim Laufen hilft. Der Anblick lässt das Elternherz höher schlagen.

Weiter oder noch einen Gang zurückschalten?

Es ist schon nach 17 Uhr und wir haben heute noch einiges an Anstiegen auf der Route, wenn wir jetzt weiterfahren. Irgendwie, denken wir uns, wäre es aber auch schön, jetzt hier unterzukommen. Lu guckt auf AirBnB und findet eine Unterkunft in der Nähe. Die Kommunikation läuft sehr schnell und wissen wir im Handumdrehen, wo wir heute bleiben werden. Zuerst wollen wir aber noch etwas am Hafen essen gehen. Wir gehen in das Kniv & Gaffel, wo gerade Live Musik läuft. Ein Gitarrist spielt über eine PA bekannte Songs und soll eigentlich in wenigen Minuten fertig sein. Wir haben uns vorher erkundigt, weil es schon sehr laut war, aber es sieht eben auch sehr nett dort aus. Die Musik spielt allerdings noch eine ganze Weile und wir haben oft Probleme uns zu verständigen. Ich bin selbst Musiker (manche sagen, Schlagzeuger sind nur die, die mit Musikern rumhängen, aber gut), aber mir ist es heute zu laut und ich stecke mir etwas in die Ohren. Zu allem Überfluss scheint es, als wären wir vergessen worden, denn nach der Bestellung vergeht eine Ewigkeit und erst nachdem wir nachhaken kommt irgendwann unser Essen. Insgesamt ist es trotzdem ein sehr netter Abend im Restaurant und jetzt, da wir wissen, wo wir unterkommen und dass wir dort morgen kochen können werden, schmieden wir Pläne, was wir morgen kochen werden. Wir haben einen Monat lang nicht selber richtig gekocht, sondern Fertigessen, kaltes Essen, Brotzeiten oder Restaurant Essen gegessen. Wir freuen uns darauf und machen auf dem Weg zur Unterkunft noch einen zweiten Stopp im Supermarkt, wo Lu Hackfleisch, Kartoffel, Süßkartoffel, Möhre, Paprika, Mais und Crème Fraîche besorgt. Das dürfen wir jetzt natürlich alles den Berg hochschleppen, aber das bekommen wir hin.

Eine gute Viertelstunde und 100 Höhenmeter später sind wir am Ziel. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Wir haben eine ruhige Unterkunft, die gefühlt über allem thront, es ist sehr geräumig und gemütlich eingerichtet und es ist sowohl drinnen, als auch draußen viel Platz zum Spielen. Für zwei Nächte wird das unser zu Hause sein, wir werden Kleidung waschen, duschen und uns etwas ausruhen.

Es werde Licht

Ich habe für die Reise sehr spontan eine Lampe eingepackt, die eigentlich ein Key Light für Videoproduktionen ist und diese Lampe stellt sich auch heute mal wieder als sehr wertvoll heraus. Im Schlafzimmer können wir damit gedimmtes Licht erzeugen und einen warmen Farbton wählen. Im Zelt benutzen wir das Licht auch fast jeden Abend. Es muss nicht sonderlich hell eingestellt sein, damit wir etwas im Zelt sehen können und so hält es erstaunlich lange. Ansonsten wird es aber einfach über USB-C geladen. Und heute Abend dient es als Nachtlicht für die Kinder im neuen, ungewohnten Schlafzimmer.

Und als die Kinder im Bett sind, gehen Lu und ich noch duschen und gönnen uns anschließend etwas Screen Time am Fernseher. Wir machen es uns auf der Couch gemütlich, lassen Our Planet mit David Attenborough laufen und kümmern uns dabei um Blog und Instagram Account.

Heutige Fahrbilanz: 14 km, 1:30 h im Sattel


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